Liebhaber der Grauzone

WWW statt UKW: Burghard Seidel macht Internet-Radio in Brandenburg

Burghard Seidel (61) leitet eine Sendung, in der er über Menschen und Kultur der Stadt berichtet, und die weltweit gehört werden kann.

„Lerne Brandenburg mit seinen großartigen Seiten, seinen düsteren Passagen und seinen Grauzonen kennen und lieben.“ Dieses Motto hat Burghard Seidel für sich entdeckt. Seit dem 20. Januar funkt er seine Erlebnisse aus der Havelstadt in die weite Welt. Der Publizist, der in Berlin studiert hat, ist Initiator, Leiter und Moderator einer Internet-Radiosendung, die Nachrichten aus der Stadt Brandenburg weltweit verbreiten will.

„Die Regler hoch, hier ist das Studio Westbrandenburg@Nachrichten live aus Brandenburg an der Havel.“ Das war der erste Satz, mit dem der 61-Jährige vor 50 Tagen in die Welt des Online-Radios startete. Seitdem steht der Journalist zweimal pro Woche für jeweils 30 Minuten am Mikrofon. Für die Havelstadt ist die Internet-Radiosendung ein neues Phänomen. Mit dem Anspruch, „investigativen Journalismus zu betreiben“, will Seidel sie fest etablieren. Der Anfang ist gemacht: Der Radiomacher sendet heute Nachmittag die mittlerweile 15. Folge.

Die Radio-Agentur, bei der Seidel arbeitet, heißt „Rück-Spiegel. News behind the mirror“ – also Nachrichten hinter dem Spiegel. Dieses Motto gilt auch für seine Radiosendung: „Ich gebe die Ereignisse nicht oberflächlich gespiegelt wieder, sondern beleuchte auch ihren Hintergrund“, erklärt der Journalist. Hinter dem Spiegel der Stadt Brandenburg findet Seidel die Menschen, „die nicht bei den Neujahrsempfängen die Hand geschüttelt bekommen“. Diese Leute holt der Radiochef ins Studio.

Vor einem Monat etwa hatte er junge Gothics zu Gast. Mit den Jugendlichen, die sich komplett in Schwarz kleiden und okkulte Zeichen tragen, sprach er über die Lebensphilosophie der Gothics und ihre Liebe zur Dunkelheit. „Mein Herz schlägt für all diejenigen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen“, erklärt Seidel. Und das sowohl beruflich als auch privat. Der Journalist vermutet, dass es wohl seine persönlichen Erfahrungen sind, die Randgruppen für ihn besonders interessant machen.

Von seinem früheren Leben erzählt Seidel teils mit Wehmut, teils mit Erleichterung. Wegen der Liebe zu einer schwedischen Kindergärtnerin ging er in den siebziger Jahren nach Stockholm. In den Achtzigern erlebte Seidel als Auslandskorrespondent in Nicaragua den dort tobenden Bürgerkrieg. Ein „absoluter Irrweg“ seien die neunziger Jahre gewesen, berichtet er.

Mit 55 Jahren hat Burghard Seidel schließlich die Kraft des Internets für sich entdeckt: „Ich habe begriffen, dass das auch mein Durchbruch zur weltweiten Kommunikation sein kann.“ Seitdem verbinden sich Seidels Kenntnisse im Rundfunkbereich mit dem Prinzip, „auch die einfachen Menschen im Radio sprechen zu lassen, dass auch ihre Wahrheit ungeschminkt und weltweit für jedermann zu hören ist“.

Seit vergangenem Sommer lebt und arbeitet Burghard Seidel in Brandenburg an der Havel – als Radioleiter und als Pressesprecher beim Event-Theater. Die Entscheidung, sich in der Havelstadt niederzulassen, ist dem viel gereisten Journalisten nicht schwer gefallen: „Zumal ich ja weltweit zu hören bin“, fügt Seidel mit einem Lächeln hinzu.

Info: Westbrandenburg@Nachrichten ist zu hören am Dienstag und Freitag von 14.30 bis 15 Uhr. Wiederholungen am gleichen Tag 17.30 und am Folgetag um 11.30 Uhr auf www.plus.am.

Dmitri Steiz, Liebhaber der Grauzone. WWW statt UKW: Burghard Seidel macht Internet-Radio in Brandenburg, in: Märkische Allgemeine. Zeitung für das Land Brandenburg, Brandenburger Stadtkurier, 11. März 2011, S. 14.