Von der Havel an den Hindukusch
Ein Soldat aus Brandenburg steht kurz vor seinem ersten Auslandseinsatz in Afghanistan
Alex J. hat sich freiwillig gemeldet. Der junge Oberstabsgefreite wird ab Februar sechs Monate lang im Bundeswehr-Feldlager in Mazar-i-Sharif stationiert sein.
„Es kann schon sein, dass ich auf jemanden schießen muss. Das gehört schließlich zu meinem Job“, macht sich Alex J. nichts vor. Der 25 Jahre alte Brandenburger ist Bundeswehrsoldat und steht kurz vor seinem ersten Auslandseinsatz in Afghanistan.
Er traut sich nicht, mit vollem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Oberstabsgefreite fürchtet die Reaktion der Vorgesetzten. Die würden wohl nicht gutheißen, was der junge Mann zum Krieg am Hindukusch zu sagen hat.
„Der ist nicht zu gewinnen“, meint J., der in Uniform zum Interviewtermin gekommen ist. Die Taliban-Kämpfer seien den ausländischen Soldaten wegen ihrer Ortskenntnis überlegen. Deutschland hätte sich auf diesen Konflikt nicht einlassen sollen. Trotzdem habe er keine Sekunde gezögert, als der Zugführer ihn fragte, ob er bereit sei für den Dienst am Hindukusch.
Der junge Panzerpionier verpflichtete sich, ein halbes Jahr die deutschen Kampftruppen in Mazar-i-Sharif zu unterstützen. Er wird in einem klimatisierten Container im Camp Marmal untergebracht und regelmäßig auf Patrouille sein. Im Februar soll es losgehen.
Berichte über tote Soldaten, die während des Einsatzes von Sprengfallen zerfetzt wurden, können ihn nicht schrecken. Auch nicht die Bedenken von Eltern und Freunden. Vielmehr ist es die Abenteuerlust, die den jungen Mann antreibt.
„Ich will etwas erleben“, sagt er fest entschlossen. Afghanistan sei dafür genau das richtige Pflaster, meint J., der sich derzeit in Augustdorf bei Bielefeld auf den Dienst im Krisengebiet vorbereitet.
Dort, in der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne, lernen er und seine Kameraden, wie man sich am besten verhält, wenn der eigene Konvoi von islamistischen Kämpfern attackiert wird. „Ich werde zwar als Kraftfahrzeugfahrer eingesetzt, aber wenn es brenzlig wird, schnappe ich mir das Gewehr“, sagt der Brandenburger. „Schließlich bin ich dafür ausgebildet.“
In der Tat beherrscht J. den Umgang mit der Waffe. Sei es mit der Maschinenpistole MP7 oder dem G36-Sturmgewehr – der exzellente Schütze trifft beim Scheibenschießen immer ins Schwarze. In seiner Einheit zählt er zu den Besten am Schießstand.
Die Militärkarriere des ehemaligen Fliesenlegers begann vor vier Jahren. Weil ihm die Arbeit keinen Spaß machte, entschloss er sich, den Kampfanzug an und die Fliesen beiseite zu legen. J. meldete sich bei der Bundeswehr und war sogleich fasziniert: „Man ist ständig unterwegs, lernt viele Leute kennen und kommt gut bei Frauen an“, schwärmt er. Überhaupt habe es ihn schon immer gereizt, so wie sein Vater zur Armee zu gehen. Der Entschluss für den Auslandseinsatz sei da nur der folgerichtige Schritt.
Ums Geld gehe es ihm dabei nicht. Denn finanzielle Probleme habe er keine. Im Gegenteil. Vor kurzem hat sich J. eine noble Mercedes E-Klasse gekauft. Die 110 Euro extra, die er für jeden Tag in Afghanistan erhält, seien ohnehin viel zu wenig, sagt der Soldat. „Immerhin setze ich dort in der Wüste mein Leben aufs Spiel.“
Dmitri Steiz und Alexander Pitz, Von der Havel an den Hindukusch. Ein Soldat aus Brandenburg steht kurz vor seinem ersten Auslandseinsatz in Afghanistan, in: Märkische Allgemeine. Zeitung für das Land Brandenburg, Brandenburger Stadtkurier, 24. Dezember 2010, S. 15.