Die verschwundenen Nachbarn
Im Schloss Gollwitz werden jüdische Schicksale gezeigt
„Mein Vater war in Auschwitz und hat überlebt“, verrät Eva Kuzelová vom Jüdischen Museum in Prag. Sie eröffnete am Donnerstagabend im Schloss Gollwitz die Ausstellung „Die verschwundenen Nachbarn“. Die Exposition beleuchtet die Schicksale jüdischer Familien, die während des Nazi-Regimes vertrieben und ermordet wurden. Die Ausstellung richtet sich insbesondere an Schulklassen und Jugendgruppen.
Die Besucher können seit gestern im Gollwitzer Schloss atemberaubende Momente aus der jüdischen Geschichte nachlesen. Sätze wie „Der Holocaust bedeutete das Ende der jüdischen Gemeinde in Šumperk“, verdeutlichen das Ausmaß der von den Juden erlebten Tragödie. Sechs Millionen Menschen traf der Holocaust, sagt Benno Simoni von der Synagoge Hüttenweg der Jüdischen Gemeinde in Berlin, der bei der Vernissage in Gollwitz dabei war.
Eine erste Besonderheit der Ausstellung „Die Verschwundenen Nachbarn“ liegt in ihrer biographischen Form. Dadurch bekommen die sonst häufig abstrakt verfassten Berichte zu Judenvernichtung eine persönliche Note, sagt Feliks Byelyenkov, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Brandenburg. Auch er besuchte die Ausstellungseröffnung.
Ein zweites Spezifikum der Exposition ist wohl in ihrer Entstehung begründet. Denn es waren Jugendliche, die entscheidend zum Projekt beigetragen haben. Sie haben nach Juden geforscht, die bis 1938 in ihren Städten und Dörfern lebten und dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen.
Inzwischen ist die Ausstellung, die 1999 in Tschechien entstand, durch die ganze Welt gewandert. Australien, England und die USA gehören zu den Ländern, in denen Kuzelová das Projekt bereits vorgestellt hat. Dabei erlebte sie so manche Überraschung, wie sie erzählt. „Einmal, das war in Südkarolina, ist eine Frau zu mir gekommen. Sie hat auf ein Foto aus der Ausstellung gezeigt und gesagt: Ich kenne diese Frau, das ist meine Cousine.“
„Das ist eine sehr wichtige Ausstellung“, sagte Simoni im Anschluss an die Eröffnung. Bei der Frage nach dem Umgang mit dem Nationalsozialismus bemerkte er zudem eine Veränderung: „Es geht nicht mehr um Schuldzuweisung, das wäre der größte Schwachsinn“, betonte er.
„Sehr interessant, nicht abstrakt und sehr konkret“, lautete das abschließende Urteil von Byelyenkov. Er hofft, dass möglichst viele Menschen, vor allem Jugendliche, die Ausstellung besuchen und diesen Teil der Geschichte kennen und schätzen lernen. Und er appellierte an die Brandenburger: „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass so etwas wie der Holocaust nie wieder passiert.“
Info: Die Ausstellung „Die verschwundenen Nachbarn“ kann bis zum 8. Mai im Schloss Gollwitz besichtigt werden. Infos gibt es unter 03381/213860.
Dmitri Steiz, „Die verschwundenen Nachbarn“. Im Schloss Gollwitz werden jüdische Schicksale gezeigt, in: Märkische Allgemeine. Zeitung für das Land Brandenburg, Brandenburger Stadtkurier, 9./10. April 2011, S. 14.